NICHTS

Ein Ding gewaltigen Gewichts
ist meiner Ansicht nach das Nichts,
begegnet‘s uns doch überall
in mancher Form und großer Zahl.

Die Blinden haben es geseh‘n,
und doch weiß keiner, ob es schön,
Geduldige hat es gestört,
der Taube hat‘s sogar gehört.

Der Stumme hat es klar gesagt,
die Bangebüx hat es gewagt,
der Nihilist hat drauf gebaut,
der Skeptiker Dir‘s zugetraut.

Bescheid‘ne haben es begehrt,
manch Pädagoge hat‘s gelehrt,
Verschwender haben es gespart,
die Schwätzer in der Brust bewahrt.

Der Schoßhund hat es selbst erjagt,
der Diplomat geplant gesagt,
der Sitzenbleiber hat‘s gelernt,
manch Fleckenwasser es entfernt.

Sadisten finden‘s grauenhaft.
Wer lange schläft, hat‘s früh geschafft.
Der Dummbart hat‘s in seinem Kopf,
die faule Hausfrau in ihrem Topf.

Der Faulpelz hat‘s zu ihm gebracht,
der Depp begriffen, wenn er lacht,
und meistens hat der Konkurrent
dem Mitbewerber es gegönnt.

Wer arm, bekommt es als Kredit.
Der Geizhals gibt‘s Bedürftigen mit.
Der Nackte hat es auf dem Leib,
im Kleiderschrank das eigne Weib.

Der eitle Tor hat‘s falsch gemacht.
Der Glatzkopf trägt‘s als Haarestracht.
Von Treue hält es mancher Mann,
auch kam ein Kind schon davon an.
Manch einer, der es aß, wurd‘ dick.
Der Künstler hält‘s von der Kritik.
Wer es verstand vom Alkohol,
war dann am Ende ganz schön voll.

Manch Delinquent hat es getan.
Wen Neugier plagt, den geht das an.
Wer weises Urteil sprechen mußt,
hat‘s von der Wahrheit oft gewusst.

Was so oft vorkommt, hat Gewicht,
zeigt‘s auch vielleicht die Waage nicht.
Doch ganz egal, ob‘s groß, ob‘s klein:
Mir fällt‘s als Schlusspointe ein.

K. Unverhau (2001) Achillesverse.
Lästerliches über Lasten und Laster.
Karin Fischer Verlag.